Studien zeigen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der Ernährung der Mutter und bestimmten Stoffwechsel-Erkrankungen, die Kinder bekommen. Kinder von Frauen, die vor der Schwangerschaft übergewichtig waren, die während der Schwangerschaft zu viel zunehmen oder Schwangerschaftsdiabetes bekommen, haben ein höheres Risiko, an Diabetes oder Adipositas zu erkranken. Rachel Lippert und ihr Team will nun wissen, wie die Ernährung der werdenden Mutter das Gehirn des Kindes in welchen Phasen der Schwangerschaft beeinflusst und woran das genau liegt.
Studien an Mäusen
Lippert forscht dabei an Mäusen, weil diese eine ganz ähnliche Gehirnentwicklung wie Menschen haben und sich aus den verschiedenen Schwangerschaftsstadien von Mäusen und der Gehirnentwicklung der Föten zu dieser Zeit Rückschlüsse für Menschen ziehen lassen. Mit Mäusen ist außerdem die Grundlagenforschung einfacher. Bei ihnen könnendie Forscher leichter bestimmen, was sie wann essen und es mit anderen Mäusen vergleichen. "Wir können schauen, was passiert, wenn sie zum Beispiel während einer bestimmten Zeit mehr Fett essen. Bei Menschen ist das schwieriger. Jeder isst anders und die Entwicklungszeiträume sind viel länger als bei Mäusen", erklärt Lippert. "Das heißt, es gibt viel mehr äußere Einflüsse, die wir nicht kontrollieren können. Aber langfristig ist es mein Ziel, konkrete Handlungsempfehlungen für Schwangere zu erarbeiten."
So stellte Lippert fest, dass die Fettzufuhr in der Stillzeit eine Auswirkung auf die Entwicklung der Synapsen im Gehirn der Mausjungen hat. Bei Mäusen formen sich diese Synapsen während des Stillens. Synapsen versuchen, zwischen einzelnen Gehirnzellen Verbindungen herzustellen. Und wenn die Mäusemutter während der Stillzeit sehr fettreich isst, dann wollen sich die Synapsen zwar ausbilden, sie finden aber keinen Anschluss, können sich also nicht verbinden. Das beeinflusst die Kinder ihr ganzes Leben lang. Beim Menschen finden diese wichtigen Gehirnentwicklungen im dritten Trimester der Schwangerschaft statt - also vom siebten Schwangerschaftsmonat bis zur Geburt.
Sind Schwangere zu oft übergewichtig?
Wie verhält es sich denn mit der Gewichtszunahme von Frauen in der Schwangerschaft? Lippert kennt hier eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2018 mit Daten von über einer Million schwangeren Frauen. Sie zeigt, dass in den USA und Europa über 50 Prozent der Frauen mehr zunehmen als sie sollten. Lippert wundert das nicht, schließlich wird schwangeren Frauen immer gesagt: Du isst für zwei, iss ruhig noch mehr. Also essen sie, was sie wollen - und das ist oft zu viel. Essen ist ja heutzutage auch überall verfügbar. Was viele Menschen nämlich nicht wissen: Frauen haben gerade zu Beginn der Schwangerschaft gar keinen erhöhten Kalorienbedarf.
Erst zum Ende des zweiten Trimesters, wenn das Baby schon relativ groß ist, steigt der Kalorienbedarf. Aber dieser liegt dann auch nicht so wahnsinnig hoch. Er liegt im Schnitt bei etwa 300 Kilokalorien am Tag mehr . Das entspricht entweder einer Avocado oder einer halben Tüte Gummibärchen. Das Beispiel macht aber deutlich: Beides hat zwar 300 Kilokalorien, aber die Gummibärchen bestehen vor allem aus Zucker - also Kohlenhydraten - die Avocado aus Fett. 300 Kilokalorien sind nicht gleich 300 Kilokalorien.
Genauere Empfehlungen
Ernährung in der Schwangerschaft ist also oft ein heikles Thema - schon weil viele Frauen zu Beginn der Schwangerschaft von Übelkeit geplagt sind oder haben komische Gelüste haben. Was rät Lippert? "Es gibt einiges, was Frauen gar nicht mehr essen dürfen, wie etwa Schinken, Sushi oder Eierspeisen, bei denen Fleisch, Fisch oder Eier roh verwendet werden. Sie müssen ihre Ernährung also oft schon ändern. Allerdings ist es ein Unterschied, ob man einer Essenslust, die einen überkommt, nachgibt, oder ob man viel zu viel davon isst." Weil viele Frauenärztinnen und -ärzte Schwangeren nur pauschal gesunde Ernährung empfehlen, möchte Lippert konkrete Empfehlungen erarbeiten. Also: Was heißt es, sich gesund zu ernähren? Was braucht ein Kind für seine Entwicklung in welchem Abschnitt der Schwangerschaft?
Solche Empfehlungen sind insbesondere deshalb so wichtig, weil Übergewicht und Diabetes in den letzten 40 Jahren zunehmend zu einer Volkskrankheit geworden sind und die Kinder von damals übergewichtigen Frauen vielleicht jetzt erst Probleme bekommen. Die Zeitspanne dazwischen ist sehr lang, und es gab deshalb noch andere Einflussfaktoren. Bisher konnte man nur anhand von Gesundheitsdaten wie zum Beispiel dem Gewicht der Mutter in der Schwangerschaft Rückschlüsse ziehen.
Volkskrankheiten Diabetes und Übergewicht
Und Lippert glaubt, dass das Problem weiter steigt. Denn wenn es jetzt immer mehr Frauen mit Übergewicht gibt, die schwanger werden, wird es auch mehr Kinder geben, die Stoffwechselerkrankungen wie Übergewicht oder Diabetes bekommen. In den letzten zehn Jahren ließ sich außerdem noch etwas anderes beobachten: Die Zahl der Frauen, die eine Schwangerschaftsdiabetes entwickelten, stieg seit 2001 um mehr als das Vierfache. Das betrifft in Deutschland etwa fünf bis sieben Prozent der Frauen.
Bei all diesen Kindern ist wiederum das Risiko höher, dass sie selbst Diabetes oder Adipositas bekommen. Frauen für das Thema Ernährung in der Schwangerschaft zu sensibilisieren, kann also eine entscheidende Rolle dabei spielen, solchen Erkrankungen vorzubeugen. Und erst mal ist es leichter, eine bestimmte Gruppe zu erreichen, als die Essgewohnheiten der ganzen Bevölkerung ändern zu wollen. Außerdem gibt es niemanden, der offener wäre für solche Themen als werdende Mütter. Sie wollen ja das Beste für die Gesundheit ihres Kindes tun. Hier finden Sie mehr Informationen zum Thema Vorsorge.