Leber im Fokus: So bleibt die Stoffwechselzentrale in Schuss

Ist die Leber krank, kommt einem sofort zu viel Alkohol als Ursache in den Sinn. Aber das ist nur ein möglicher Grund. Neben Hepatitis-Viren bereitet vor allem die Fettleber immer mehr Sorgen.
Der Satz "Ihre Leberwerte sind erhöht" aus dem Mund der Ärztin lässt aufschrecken. "Es ist aber nur ein erstes Zeichen, dass etwas gerade die Leber stört und vielleicht auch schädigt", sagt Ingo van Thiel von der Deutschen Leberhilfe. Je nachdem, welche Werte erhöht sind, bekommen Medizinerinnen und Mediziner durch die Zahlen erst mal nur einen groben Eindruck, ob die Leberzellen entzündet sind oder eher die kleinen Gallengänge. "Viel mehr erkennt man nicht", sagt van Thiel. Deswegen folgen weitere genauere Blutuntersuchungen oder ein Ultraschall.
Zentrale für Stoffwechsel und Entgiftung
Ein Leben ohne die Leber ist nicht möglich. Sie ist das zentrale Stoffwechselorgan des menschlichen Körpers und erfüllt eine Vielzahl von lebenswichtigen Aufgaben. "Die Leber ist unter anderem an der Regulierung des Fett- und Zuckerstoffwechsels sowie des Mineral- und Vitaminhaushalts beteiligt und lagert wichtige Nährstoffe wie Zucker, Fette, Vitamine und Mineralien", erklärt Prof. Markus Cornberg von der Deutschen Leberstiftung. Als Entgiftungszentrale filtert sie Schadstoffe aus dem Blut. Außerdem bildet sie viele lebensnotwendige Stoffe wie Eiweiße, die unter anderem für die Blutgerinnung wichtig sind.
Organ ohne Schmerzempfinden
Ist die Leber krank, spürt oder fühlt man es oft jahrelang nicht. "Wenn Symptome auftreten wie Müdigkeit oder Konzentrationsstörungen, sind sie oft sehr unspezifisch", sagt Ingo van Thiel. Die Leber habe kein Schmerzempfinden. "Manche Patienten haben aber Druckschmerzen im rechten Oberbauch, wenn die Leber vergrößert ist und auf das umgebende Gewebe drückt."
Typische Symptome wie eine Gelbfärbung der Haut und des Augenweiß treten demnach nur bei vergleichsweise wenigen Menschen auf. "Im Endstadium sind dann aber schwere Symptome wie ein Wasserbauch, plötzliches Bluterbrechen oder Hirnstörungen möglich", sagt van Thiel. "Manche Betroffene merken erst dann, dass sie krank sind."
Der Verfall der Leber und seine Folgen
Eine Lebererkrankung verbinden die meisten mit Alkoholmissbrauch, doch Alkohol ist nur eine der drei Hauptursachen. Sehr häufig sind auch die Fettleber und die Hepatitis-Viren B und C der Grund. "Wird die Leber chronisch krank, gibt es viele Gemeinsamkeiten: Die Zellen werden geschädigt oder entzünden sich", sagt van Thiel. Dann steht die Leber oft Jahre lang unter Beschuss. Zwar sterben auch bei in einem gesunden Organ Zellen ab. Aber sie werden wieder ersetzt.
Bei einer Krankheit dagegen schafft es die Leber nicht mehr genug Zellen nachzuproduzieren. "Stattdessen lagert das überforderte Organ Bindegewebe ein: Die Leber beginnt zu vernarben", sagt van Thiel. Liegt im Endstadium eine Leberzirrhose vor, kann das Organ seine lebenswichtigen Funktionen nicht mehr wahrnehmen. "Versagt die Leber, folgen oft schnell auch andere Organe wie die Niere und die Lunge. Am Ende bricht alles zusammen."
Damit die Leber gesund bleibt, reicht es deswegen nicht, einfach "nur" auf Schnaps, Wein und Bier zu verzichten. "Viele Lebererkrankungen sind - anders als viele glauben - nicht auf einen zu hohen Alkoholkonsum zurückzuführen", bekräftigt Markus Cornberg. So greift auch Rauchen das Organ an. Verzichten sollte man zudem auf zu viele zuckerhaltige Limonaden und Säfte, da sich durch diese Fett in der Leber ansammeln kann. Eine Fettleber kann entstehen.
Das metabolische Syndrom als Problem
"Große Sorgen machen wir uns um Fettlebererkrankungen durch das metabolische Syndrom", sagt Leberhilfe-Experte van Thiel. Hierbei kann die Kombination aus Übergewicht, Bluthochdruck sowie Zucker- und Fettstoffwechselstörungen die Leber schwer krank werden lassen. Bisher gibt es noch keine Medikamente gegen die Fettleber. Aber: Kaffee kann beispielsweise helfen. "Er hat eine schützende Wirkung und kann dazu führen, dass die Leberwerte sinken", sagt Mediziner Cornberg. Das Risiko für die Entwicklung einer Leberzirrhose und eines Leberzellkrebses sinkt. "Grundsätzlich kann man leberkranken Patienten empfehlen, täglich mehr als drei Tassen Kaffee zu trinken - sofern keine Herzerkrankung vorliegt."
Ausgewogene Ernährung und aktiver Lebensstil
Eine explizite Leberkur oder -diät gibt es dagegen für Menschen mit einem gesunden Organ nicht, so Cornberg. "Eine ausgewogene Ernährung mit frischen und natürlichen Lebensmitteln und ein aktiver Lebensstil sind trotzdem förderlich." Ist bereits eine Lebererkrankung vorhanden, kann die richtige Ernährung indes eine wichtige Rolle spielen. "Das gilt beispielsweise für Betroffene mit Speicherkrankheiten wie Hämochromatose und Morbus Wilson, für Patienten mit einer Leberzirrhose und für Menschen mit einer Fettlebererkrankung", sagt Cornberg.
Probleme mit der Leber können trotz eines gesunden Lebensstils entstehen. So gibt es genetische und autoimmune Erkrankungen. Zu den genetisch bedingten gehören unter anderem die von Cornberg erwähnten Eisenspeicherkrankheit (Hämochromatose) und die Kupferspeicherkrankheit (Morbus Wilson). Bei den autoimmunen Erkrankungen, zu der etwa die autoimmune Hepatitis zählt, ist wiederum das eigene Immunsystem fehlgesteuert und greift die Leber an.
Hepatitis-Erkrankungen vorbeugen
Bei einer Leberentzündung mit den Hepatitis-Viren A, B, C oder D ist Vorbeugung möglich. Jeder kann sich ab einem Alter von 35 Jahren beim Gesundheits-Check-up einmalig kostenlos auf Hepatitis B und C testen lassen. Es gibt auch eine Impfung gegen das A- und B-Virus. "Die Impfungen sind sicher, gut verträglich und bieten einen sicheren Schutz gegen diese Virusinfektionen", sagt Cornberg. "Die Impfung gegen Hepatitis B schützt zudem gegen eine Infektion mit dem D-Virus." Beide können chronisch werden und im Verlauf zu Leberzirrhose und Leberzellkrebs führen. "Diese Impfung ist daher auch eine Impfung gegen Krebs", sagt der Mediziner.
Eine Impfung gegen Hepatitis C gibt es bislang nicht. Cornberg: "Diese Erkrankung ist allerdings inzwischen bei fast allen Patienten nahezu nebenwirkungsfrei heilbar." (tmn)